WILU's Reisen
Die grosse Reise zur Elfenbeinküste

Teil 2

Wie eine Fahrt nach Agadez 
über Wiesbaden nach Marokko führt
3.2. - 14.6.1982

(Reiseroute Teil 2)

 


           Hier halten wir uns geradeaus, das glauben
                                         wir  zumindest

Nachdem wir mühsam unsere Benzin- und Wasservorräte aufgefüllt haben (Benzin ist rationiert), brechen wir drei Tage später ohne Begleiter auf nach Süden, in Richtung In Guezzam.

Baukolonnen des Miltärs treiben den Bau der Asphaltstrasse voran, doch schon bald geht's auf Waschbrettpiste weiter, mit vielen sandigen Abschnitten, und wir kommen gut vorwärts.

 

Programmgemäss passieren wir den Abzweig der "verbotenen Piste" nach In Azaoua, halten uns hier schön geradeaus, so glauben wir wenigstens.

Wir folgen sandigen Spurenbündeln links von der Hauptpiste, da diese sehr schlecht befahrbar ist, merken dabei aber nicht, dass wir ganz allmählich nach Osten abdriften. Wir werden stutzig, als weisse Teerfässer den Weg markieren, die aber nirgends erwähnt sind. Unser Kompass zeigt auch, dass es in östliche Richtung geht, und als dann auf einer Anhöhe ein Fass mit einem Schild mit der Aufschrift "In Azaoua" auftaucht, wird es zur Gewissheit, dass wir uns verfahren haben! Da die Sonne gerade untergeht, suchen wir am Pistenrand einen Schlafplatz.

Bei absoluter Stille haben wir gut geschlafen. Beim Anlassen des Motors vernehmen wir dann allerdings ein merkwürdiges blechern-metallisches Scheppern. Ich lausche in den Motorraum, vermute ein loses Abdeckblech, ohne es lokalisieren zu können.

Da der Motor aber einwandfrei läuft und zieht, messen wir dem Geräusch zunächst keine grosse Bedeutung bei.

  
             Auf der "verbotenen Piste" nach Ain Azaoua

Wir kommen gut voran, der Wagen läuft gut, doch dieses laute Scheppern ist nicht mehr zu überhören. Auch habe ich öfter mal Mühe, den 2. Gang einzulegen. Mit Zwischengas geht’s besser, aber hier ist was faul. Das Geräusch wird immer stärker, und so halte ich an, um der Sache auf den Grund zu gehen, Doch es lässt sich einfach nicht eindeutig lokalisieren. Merkwürdig ist, dass das Geräusch weg ist, wenn der Motor bei herausgeschraubten Zündkerzen dreht. Irgendwie fürchte ich, dass wir vor einem Motorschaden stehen. Irgendwas Ernstes muss es sein!

Wir müssen auf jeden Fall zur Hauptpiste zurück! Die Stimmung ist angespannt, und immer wieder öffne ich die Tür, und lausche dem bedenklichen Geräusch. Endlich stossen wir auf die Hauptstrecke, und da es klar ist, dass wir eine Werkstatt brauchen, fahren wir zurück in Richtung Tam. Zwanzig Kilometer weiter ist dann das Geschepper so stark, und es lässt sich kein Gang mehr einlegen, so dass es keinen Meter mehr weiter geht!

Ein vorbeikommender Toyota zieht uns an den Pistenrand, und hier verbringen wir nun eine sorgenvolle Nacht, in der mein Entschluss reift, morgen hier auf der Piste den Motor auszubauen, und - wenn nötig - zu zerlegen.


                                      Der Motor muss raus!

Noch vor dem Frühstück gehe ich an die Arbeit. Ich lege die Sandbleche unter den Motor, und darauf flach einen Benzinkanister.

Nach Lösen der Kabel und Schläuche lasse ich die Luft aus den hinteren Reifen, bis der Motor knapp über dem Kanister schwebt.

Dann löse ich die Schrauben, und schon lässt sich der Motor herausziehen, und ruht nun auf dem Kanister. Ich hätte nicht gedacht, dass das unter diesen Umständen so glatt gehen würde.


 Bald lässt sich der Motor herausziehen


 Übeltäter ist das lose Schwungrad

Zu meiner grossen Freude und Erleichterung ist jetzt sogar der Fehler eindeutig zu erkennen, und schlagartig erklären sich all die merkwürdigen Symptome: Das Schwungrad an der Kurbelwelle hat sich gelöst!

Es schlackert hin und her, schlägt dabei an die Getriebeglocke, wo auch kräftige Spuren erkennbar sind. Natürlich lassen sich so auch keine Gänge mehr schalten, denn die Kupplung sitzt ja auf dem Schwungrad. Die Haltelöcher sind zwar durch die Passstifte oval ausgeschlagen worden, doch daran kann ich jetzt nichts ändern. Ich ziehe die zentrale Hohlmutter mit aller Kraft an, baue dann den Motor wieder ein, der auch wunderbar "reinflutscht". Und dann läuft er wieder, völlig ruhig, ohne Scheppern. Welch ein Augenblick der Erleichterung!

Noch sind es 90 Km bis Tam, und welche Enttäuschung, als nach nur 6 Km das Geschepper schon wieder beginnt! Ich versuche jetzt, Lastwechsel zu vermeiden, und die Drehzahl möglichst konstant zu halten, und nachdem auch noch der Keilriemen gerissen ist und ersetzt wurde, erreichen wir genervt den Campingplatz von Tamanrasset. Immerhin aus eigener Kraft!       (Route)


     Reparaturversuche auf dem Campingplatz in Tam

Die nächsten drei Tage verbringen wir hauptsächlich mit Reparaturversuchen.

Campingplatzverwalter Hamu hat seine Beziehungen spielen lassen, und man bringt uns ein passendes gebrauchtes Schwungrad: "Bau es erst mal ein, über den Preis reden wir später..."

Damit die Passstifte in den ebenfalls ausgeschlagenen Löchern im Kurbelwellenschaft Halt finden, lasse ich seitlich Schweisspunkte aufsetzen, die ich dann mit einer Feile so bearbeite, dass die Stifte satt in den Löchern sitzen. Der Simmerring an der Kurbelwelle ist ebenfalls beschädigt, doch Mohammed aus der Werkstatt verspricht, Ersatz zu besorgen. Das "neue" Schwungrad ist provisorisch montiert, und passt hervorragend. Tags darauf erfahren wir, dass kein Simmerring aufzutreiben ist, und Mohammed nennt uns auch den Preis des Schwungrades:  1.800 Dinar! Ich drehe mich wortlos um, schraube das Ding wieder ab, und drücke es ihm in die Hand.

Bleibt nur noch eins: Neue Löcher zu bohren! Ich baue unser Schwungrad mitsamt den verdickten Passstiften wieder ein, und bohre dann in stundenlanger Arbeit mit meiner Handkurbelbohrmaschine vier 6-mm-Löcher durch das Schwungrad in den Kurbelwellenschaft hinein. In diese Löcher treibe ich abgesägte 6-mm-Schraubenschäfte als Haltestifte, und dann sind wir fast fertig. Fast, denn es bleibt noch das Problem mit dem Dichtring.

  
       Mit der Handbohrmaschine bohre ich neue Löcher

Beim ersten Probelauf tropft dann auch munter Öl unten raus, es hilft also nichts, ein neuer Dichtring muss her! Da in ganz Tamanrasset nichts passendes aufzutreiben ist, senden wir schliesslich ein Telegramm nach Deutschland, mit der Bitte um Zusendung zwei solcher Teile.


                   Wir feiern mit Rouladen aus der Dose,
                                    pommes und Spätlese

Nun heisst es abwarten, und dazu fahren wir hinaus zur Mineralwasserquelle von Tahabort. Nach fünf Tagen haben wir unerwartetes Glück. Wir sitzen beim Abendessen, als es an den WILU klopft, und draussen ein Österreicher steht, mit einem passenden neuen Simmerring in der Hand! Unser Pech hat sich herumgesprochen, und er will uns helfen. Geld will er dafür nicht nehmen, so schenken wir ihm wenigstens ein Päckchen Butter. Und wir haben einen Grund zum Feiern!

Der Motor ist nun wieder in Ordnung, doch sind die bestellten Teile noch nicht eingetroffen. Inzwischen hat Gertrud gesundheitliche Probleme, so dass wir uns ernsthaft überlegen, ob wir nicht besser zurück nach Deutschland führen.

Der Zufall will, dass wir an einem dieser Tage an einer Wasserzapfstelle in Tam unsere Freunde Atze und Renate treffen. Sie waren mit ihren Mercedes-Bus Typ 319 in Niger und Benin gewesen, und befinden sich nun auf der Rückfahrt, in Begleitung eines Münchner VW-Bullis. 

Zwei Tage verbringen wir zusammen in einer sandigen Ebene ausserhalb von Tam, tauschen Tipps und Erfahrungen aus, und futtern selbstgebackenen Dr.-Oetker-Kuchen.

   
  Ein grosser Zufall: Wir treffen Freunde aus Wiesbaden

Nach Abreise unserer Freunde treffen auch wir eine Entscheidung. Wir warten nun seit 16 Tagen auf die bestellten Dichtringe, und der Gesundheitszustand Gertruds ist nicht besser geworden. Wir beschliessen, erst einmal nach Hause zu fahren.      (Route)

Nachdem wir genügend Wasser und Benzin ergattert haben, fahren wir auf der miserablen Asphaltstrasse nach Norden. Da war ja die alte Hoggarpiste noch besser! In Ain Salah müssen wir die Visa verlängern lassen, das bedeutet vier Tage Zwangsaufenthalt. Wir machen das Beste draus, lagern sehr schön umgeben von Dünen.


 Die "neue"Asphaltstrasse ist in erbärmlichem Zustand


 Unser Standplatz in den Dünen bei Ain Salah
 

Die weitere Fahrt verläuft glatt. Die Autofähre bringt uns von Melilla nach Malaga, und nach zwei Ruhetagen folgt die letzte Etappe nach Wiesbaden, wo wir am 14. März, nach insgesamt 13 Tagen und 5.000 Km ab Tam, wohlbehalten eintreffen.                                                          (Route)

Gertrud begibt sich sofort in ärztliche Behandlung, und die Genesung geht zum Glück rasch vonstatten.

Ich nehme einige Reparaturen am WILU vor: Simmerringe an der Hinterachse rechts und links ausgetauscht, ebenfalls die Radlager hinten, beide Stossdämpfer hinten erneuert, Federung hinten etwas mehr vorgespannt, und weitere kleinere Reparaturen. Weitere Ersatzteile besorge ich auch, darunter auch ein Schwungrad, für alle Fälle...

Den Lebensmittelvorrat füllen wir natürlich auch auf, achten beim Einkauf auf mehr Vielfalt. Inzwischen treffen die entwickelten Dias und Schmalfilme ein, und erste Vorführungen finden statt.

Dann können die beantragten Zweitpässe abgeholt werden, und unsere Pässe mit neuen algerischen Visa treffen ein.

Wie schon bei der ersten Abreise im Dezember haben wir auch jetzt lange Erledigungslisten abzuarbeiten, aber dann ist es so weit, am 9. April 1982 geht die Reise weiter!

Nach diesem 25-tägigen Intermezzo in Wiesbaden fahren wir durch Frankreich nach Spanien, tingeln gemächlich die Mittelmeerküste hinunter, und nehmen am 14. Mai die Fähre von Algeciras nach Ceuta, sind somit zwar noch in Spanien, aber wenigstens wieder in Nordafrika.                       (Route)
 


 Mittagspause in Südspanien

Am nächsten Morgen zur marokkanischen Grenze. Dicke graue Wolken, kurze Fahrt durch einen Hinterhof der Welt. Den spanischen Posten passieren wir ohne Aufenthalt, nur die Autonummer wird registriert. Dann drängen sich Geldwechsler, Schlepper und Neugierige ans Auto. Marokkanische Krankenschwestern sammeln für den Roten Halbmond. Wir füllen die Einreisekarten aus, dabei sieht einer der Schlepper mein algerisches Visum im Pass und meint, damit kämen wir nicht rein. Ich versuche meine Zuversicht zu wahren, meine Frau geht mit den Pässen und den Autopapieren zu Polizei und Zoll. Die Beamten haben Stöcke in der Hand, und prügeln von Zeit zu Zeit auf die Menschenmenge ein, die den Grenzübergang umlagert.

Meine Frau kommt zurück, mit bitterböser Miene. Wir dürfen rein, aber das Auto nicht! Der Zoll verweigert uns die Einreise wegen der gültigen Algerienvisa! Am Montag, wenn die Visa abgelaufen sind, dann dürfen wir mit dem Auto einreisen. So eine Scheisse!

Ich nehme die Papiere, und versuche es noch einmal. Eine widerliche Type mit zusammengekniffenen Lippen und Sonnenbrille sitzt da hinter dem Schreibtisch. Er merkt bald, dass er uns schon einmal abgewiesen hatte, sogar in ein dickes Buch hat er eingetragen, dass wir erst am 17.5. einreisen dürfen. Nichts zu machen.

Wir stehen noch fast ½ Stunde rum, bis endlich einer der Beamten zu uns ins Auto steigt, und uns zurück durch die Sperre geleitet. Die Spanier lassen uns ohne Kontrolle wieder einreisen, die kennen das Spiel wohl schon. Wir müssen uns von zu Hause die Zweitpässe mit einem neuen algerischen Visum schicken lassen, und zwar nach Rabat auf die deutsche Botschaft, vorher kann die Reise nicht weitergehen.

Bis zum 17.5. müssen wir hier in Ceuta abwarten. Wir stellen uns auf einen grossen Parkplatz am Hafen, hier stehen noch andere Reisende, einige mit Wohnwagen. Wir kommen mit Karl aus Neustadt/Hessen ins Gespräch, einem Rentner, der seit 8 Jahren regelmässig mit seinem Mercedes-Kastenwagen für einige Monate nach Marokko fährt, um dort allen möglichen Krempel, den er von zu Hause mitbringt, zu verkaufen.


            Karl Gnau, ein liebenwerter Kauz, fährt seit                    Jahren regelmässig zu den "Makkos"

Bei Haushaltsauflösungen, Versteigerungen, und ähnlichem kauft er für wenig Geld massenhaft Kleider, Schuhe, Schränke, Koffer, Werkzeuge, Uhren, Fotoapparate, und vieles mehr.

Das alles schafft er nach Marokko, und verkauft es dort gegen gutes Geld, zum Teil auf Souks, oder auch am Strand, er hat auch schon einen festen Kundenkreis. Drei Stunden hören wir seinen drolligen Geschichten zu.

Ulkige Leute gibt es hier. Heinz zum Beispiel, ein Einzelgänger aus Aachen, der mit seinem Lastwagen früher durch Marokko fuhr, und die Touristenautos reparierte. Jetzt hat er für Marokko Einreiseverbot, daher bleibt er vorläufig in Ceuta, und hält hier nach Opfern Ausschau. Auch uns versucht er ständig bezüglich unseres WILU zu verunsichern, doch es will ihm nicht so recht gelingen.

Oder der alte Holländer mit einem Ford-Transit-Wohnmobil. Ein schrulliger Typ, der uns sein Leid über die Rostschüssel klagt, und von Zeit zu Zeit resümiert: "Sind olles Värbrächärr!“

Rotel-Tours trifft hier auch ein, bringt die Hiobsbotschaft, dass die Algerier am 1. Mai 82 einen Zwangsumtausch eingeführt haben, und zwar in Höhe von 650 DM pro Person!

Am 20. Mai, nach 5 Tagen Ceuta, fahren wir erneut zur marokkanischen Grenze. Dort ist die Stimmung heute entspannter, und eine halbe Stunde später sind wir in Marokko. Über Tetouan und Larache fahren wir nach Rabat, bzw. Temara, auf den Campingplatz "Palmerai". Neun Tage bleiben wir hier, und fassen den Entschluss, die nächsten drei Monate in der Gegend von Agadir zu verbringen, um so die Fahrt duch die Sahara in sommerlicher Hitze zu vermeiden.  (Route)

Über Casablanca, Safi und Essaouira kommen wir zum Strand von Taghazout. Der Platz unter den Bäumen entpuppt sich als mittlere Müllhalde. Überall Plastikfetzen, Glas, und sonstiger Dreck. Das Meer kann man auch nicht sehen. Dafür gibt es massenhaft Fliegen, die sich natürlich auf uns stürzen.

Ich bin unzufrieden. Hier wollen wir 3 Monate stehen? Ich peile die Lage. Unten in Strandnähe gibt es ein besseres Fleckchen, dorthin wollen wir uns stellen.
 

  
          Wir richten uns am Strand von Taghazout ein
 


 Ein ruhiger Platz mit kühlender Brise vom Atlantik
 
 


 Wassermelonen, lecker und billig, sind unsere
neue Leidenschaft
 

Unten angekommen, säubere ich den Platz um den WILU vom gröbsten Unrat (Glas, Dosen, Plastik), hier ist es viel schöner. Ein Gang zum Strand zeigt, dass dieser schön sauber ist. Ein 20 bis 30m breiter Sandstrand, es geht flach und sanft ins Wasser, und weiter draussen rollen die Wellen des Atlantik. Hier bleiben wir die nächsten 14 Tage, nur unterbrochen von kurzen Fahrten zu einer Wasserstelle, und Ausflügen ins 20 Km entfernete Agadir.  (Route)

   
                             Moderne Strassenzüge in Agadir

 


"Teil 1:
Über Djanet nach Tam"

"Teil 3:
Aufbruch nach In
       Guezzam"